von Christina Wittwer

Massnahmen in Krisensituationen einer AG/GmbH

Im Rahmen der Aktienrechtsrevision 2020 wurden die Massnahmen, welche der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft/GmbH in Krisensituationen zu ergreifen hat, in den Art. 725 – 725c OR neu geregelt und teilweise zusätzliche Bestimmungen eingeführt.

 

Die Bestimmungen gelten für jede Aktiengesellschaft/GmbH, ungeachtet dessen, ob ihre Jahresrechnung ordentlich, eingeschränkt oder gar nicht geprüft wird. Mit den Regulierungen soll versucht werden, zu verhindern, dass eine Gesellschaft ohne ausreichende Liquidität und mit ungenügenden eigenen finanziellen Mitteln am Geschäftsverkehr teilnehmen kann. In einer Stufenordnung (die androhende Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust bzw. Überschuldung angeknüpft) werden dem Verwaltungsrat spezifische Pflichten auferlegt, wobei der Gesetzgeber der (privativen) Sanierung den Vorzug vor der privativen oder konkursrechtlichen Liquidation gibt.

 

  1. Pflicht zur Überwachung der Liquidität
    Art. 725 Abs. 1 OR hält zunächst fest, dass der Verwaltungsrat die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu überwachen hat. Zahlungsfähigkeit bedeutet, «dass ausreichend liquide Mittel zur Begleichung der fälligen Schulden vorhanden sind». Als liquide Mittel erscheinen Bargeld, Bankguthaben, kurzfristige Call-Geldanlagen, aber auch kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs.

    Die Überwachung der Liquidität ergibt sich bereits aus den unübertragbaren Aufgaben gemäss Art. 716 Abs. 1 OR. Zentrale Instrumente sind der Liquiditätsplan, welcher im Gesetzesentwurf noch explizit vorgesehen war und ein entsprechendes Monitoring sowie eine adäquate Organisation, wobei die konkrete Ausgestaltung im Ermessen des Verwaltungsrates liegt. Der Verwaltungsrat muss aber sicherstellen können, dass eine Liquiditätskrise rasch erkannt wird, damit er auch darauf reagieren kann. Es handelt sich um eine laufende Aufgabe des Verwaltungsrats.

  2. Der hälftige Kapitalverlust
    Verschiedene Pflichten des Verwaltungsrats bestehen, wenn ein hälftiger Kapitalverlust vorliegt. Die Pflichten sind in Art. 725a OR geregelt. Ein hälftiger Kapitalverlust liegt dann vor, wenn die kumulierten Verluste die Summe von nominellem Aktien- oder gegebenenfalls Partizipationskapital und nicht an die Aktionäre rückzahlbarer gesetzlicher Kapital- und gesetzlicher Gewinnreserve mindestens zur Hälfte, aber noch nicht vollständig aufgezehrt haben. Grundlage für die Bestimmung ist der Einzelabschluss nach OR.

  3. Überschuldung
    Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung ist der Verwaltungsrat gemäss Art. 725b Abs. 1 OR dazu angehalten, unverzüglich einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten zu erstellen, sofern davon ausgegangen werden darf, dass das Unternehmen weitergeführt wird und der Abschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung ausweist. Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, so ist einzig ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten zu erstellen.

    Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Aktiven die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr decken (Art. 725b Abs. 1 OR), also das Eigenkapital gänzlich aufgezehrt ist. Dabei ist der Abschluss in Schweizer Franken massgebend.

 

Bei Fragen, Unklarheiten oder wenn Sie weitergehende Informationen zu diesen Themen wünschen, stehen wir Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.

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